Sofja Petrowna
Martin Bieri
Sofja Petrowna lebt mit zwei großen Lieben, folgt einer Leidenschaft und steht unter zwei Verpflichtungen. Sie liebt ihren verstorbenen Mann und ihren Sohn Kolja, einen begabten, linientreuen Ingenieurstudenten. Mit Disziplin und Hingabe arbeitet sie als Stenotypistin in einem Leningrader Verlag und stellt ihr Leben in den Dienst ihres Sohnes und der sowjetischen Ordnung. Doch als Sofja Petrownas Kollegen der Reihe nach verschwinden und Kolja im Zuge der Großen Säuberung verhaftet wird, bricht die Willkür des Systems in ihr Leben ein. Haltlos irrt sie durch Ämter und Warteräume, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, auf der Suche nach Gerechtigkeit in einer Ordnung, die keiner Logik folgt. Erst als sie äußert: "Der Frühling kommt, wie spät es erst zu dunkeln beginnt" dämmert ihr allmählich die Ausweglosigkeit: aus einem System, an das sie kaum noch glauben kann, und der Gefangenschaft Koljas, dessen Befreiung sie nur noch mühsam zu hoffen und erringen wagt.
Mitten im stalinistischen Terror der 1930er-Jahre berichtete die russische Autorin Lydia Tschukowskaja mit Sofja Petrowna aus dem sowjetischen Totalitarismus: Menschen verschwinden und alle schweigen. Ein einzigartiger Roman über Systemglaube und Desillusionierung einer grausamen und verängstigten Gesellschaft, der in der Sowjetunion erst 1988 erscheinen konnte.
"Sie [Brüesch] macht aus Tschukowskajas Vorlage einen Erzähltheaterabend. Mit Respekt vor dem Text [...] inszeniert Brüesch die Geschichte der einfachen Genossin Sofja Petrowna. Brüesch findet überzeugende Bilder und Tableaus, die die Ausweglosigkeit Petrownas zeigen.", so Julia Nehmiz auf Nachtkritik zur Erstaufführung der Bearbeitung im Doppelabend "Sofja Petrowna / Republik der Taubheit" am Theater St.Gallen am 17.10.2024 in der Regie von Barbara-David Brüesch.
Wir vertreten momentan nur die Rechte an der Bearbeitung.