rua. Kooperative für Text und Regie
Kooperative für Text und Regie

Tucké Royale

Tucké Royale
© Amelie Amei

Vita

Tucké Royale wurde 1984 in Quedlinburg geboren. Er arbeitet als Autor, Regisseur, Musiker und Schauspieler. Royale studierte Judaistik an der Freien Universität Berlin und Puppenspielkunst an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Seine Solo-Stücke TUCKÉ ROYALE und ICH BEISSE MIR AUF DIE ZUNGE UND FRÜHSTÜCKE DEN BELAG, DEN MEINE RABENELTERN MIR HINTERLIESSEN wurden international gezeigt. 2015 inaugurierte Royale den Zentralrat der Asozialen in Deutschland und tritt seitdem als dessen Erster Sprecher für die NS-Verfolgten ein. Gemeinsam mit Hans Unstern und Black Cracker gründete Royale 2016 BOIBAND. 2017 hat Tucké Royale sein in Zusammenarbeit mit Johannes Maria Schmit geschriebenes Rachemusical MIT DOLORES HABT IHR NICHT GERECHNET am Maxim Gorki Theater in Berlin uraufgeführt. Im Sommer 2019 hat Johannes Maria Schmit den von Tucké Royale geschriebenen queeren Heimatfilm NEUBAU mit Royale in der Hauptrolle inszeniert. 2020 gewann NEUBAU den 41. Max-Ophüls-Preis, den Preis für den Gesellschaftlich relevanten Film, den Braunschweiger Filmpreis und 2022 den Preis der deutschen Filmkritik als Bester Debütfilm. Das Hörspiel THE REVOLUTION WILL BE INJECTED, eine molekulare Revolution von Orlando de Boekens, Tucké Royale und Hans Unstern, eine Produktion von Deutschlandfunk Kultur, wurde im Mai 2020 als Hörspiel des Monats und 2021 mit dem Jacques-Doret Award for Discovery der 33rd International Radio and Television Union ausgezeichnet. Royale war Mitunterzeichner der 2021 ins Leben gerufenen Kampagne #actout. 2022 war er Stadtschreiber von Ludwigsburg. Seit 2023 lehrt er als Professor für Creative Writing (Abteilung Drehbuch) an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. 2024 inszenierte er MIT DOLORES HABT IHR NICHT GERECHNET für den RBB.

Texte

Ich beiße mir auf die Zunge und frühstücke den Belag, den meine Rabeneltern mir hinterließen

Wie reüssiert man als Pseudohermaphrodit an einer Schauspielschule, die das binäre Rollenkorsett Jahr für Jahr mit der Auswahl seiner Studierenden fortschreibt. Die Antwort ist einfach und brutal: Man passt sich an. Das geht eine Zeit lang gut, dann immer weniger und irgendwann hält man die falsche Performance nicht mehr aus. Und Tucké Royale wird geboren. In und mit diesem Namen hat die ganze Person Platz – als Kunstfigur auf der Bühne und im alltäglichen Leben. Tucké Royale „gibt“ die Rolle des Flüchtigen, krönt sich mit der Krone der Unpässlichkeit, fordert, provoziert und lockt uns mit der Frage: Wer schafft hier eigentlich welche Realität? Abschließende Lektionen in der Sprache des Uneindeutigen, performativer Irritationen scheinbar starrer Geschlechtsidentitäten, machen das Publikum zu „Herm“-Pionier*innen. 
Eine fröhlich-utopische Intervention verdichtet in einem zehnseitigen Text!


Im Schoß des osteuropäischen Judentums kommen im frühen 20. Jahrhundert die Zwillinge Ida und Dolores auf die Welt – vermeintlich als Mädchen und Junge. Während ihrer Kindheit auf dem Land nutzen die beiden die diversen Angebote zu Schlägereien und Ballettunterricht. Ihre Tanzbegabung führt sie früh aus der Enge der Provinz auf die europäischen Varieté-Bühnen der Goldenen Zwanziger. Mit dem Überfall NS-Deutschlands auf Polen wird diese Verbindung plötzlich prekär. Nach zwei Jahren des Zusammenhaltens im Warschauer Ghetto werden die Zwillinge gewaltsam getrennt, Ida nach Treblinka deportiert. Dolores schlägt sich ohne die Schwester bis in die deutsche Hauptstadt durch. Im Untergrund des queeren Berlins lebend und mit gefälschten Papieren ausgestattet, tritt sie im Wintergarten-Varieté als Tänzerin auf. Berühmt und begehrt für ihre schönen Beine, verschafft sie sich Zugang zu den Kreisen der Logistiker des Holocaust, um im Zentrum der Macht erbarmungslose Rache an den Nazis zu üben. 

Autor und Regisseur Tucké Royale lässt in seinem Rachemusical die Biographien queerer, jüdischer Widerstandskämpfer*innen miteinander verschmelzen. MIT DOLORES HABT IHR NICHT GERECHNET erzählt von zwei bewaffneten Heldinnen und setzt dem Stereotyp jüdischer Ohnmacht und Wehrlosigkeit die ausnahmslose Vergeltung der deutschen Schuld entgegen. 

Tucké Royale

Der Text TUCKÉ ROYALE bildete die Grundlage für den gleichnamigen Solo-Abend. Anfangs wird das autonome Ich als Schöpfer der Kunstproduktion behauptet und zurückgewiesen. Dann beginnt eine eklektizistische Identitätssuche: Figuren aus der griechischen und nordischen Mythologie stehen neben Kindheitserinnerungen in Sachsen-Anhalt, einer Sex-Orgie mit dem Führer und Liedtexten, die heteronormative Rollenbilder neu besetzen. Ein Pseudo-Hermaphrodit, bei dem Geschlechterwechsel zum anarchistischen Spiel werden.
Ich ist immer ein*e Andere*r.


Regie

Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet
© Ute Langkofel
Im Schoß des osteuropäischen Judentums kommen im frühen 20. Jahrhundert die Zwillinge Ida und Dolores auf die Welt – vermeintlich als Mädchen und Junge. Während ihrer Kindheit auf dem Land nutzen die beiden die diversen Angebote zu Schlägereien und Ballettunterricht. Ihre Tanzbegabung führt sie früh aus der Enge der Provinz auf die europäischen Varieté-Bühnen der Goldenen Zwanziger. Mit dem Überfall NS-Deutschlands auf Polen wird diese Verbindung plötzlich prekär. Nach zwei Jahren des Zusammenhaltens im Warschauer Ghetto werden die Zwillinge gewaltsam getrennt, Ida nach Treblinka deportiert. Dolores schlägt sich ohne die Schwester bis in die deutsche Hauptstadt durch. Im Untergrund des queeren Berlins lebend und mit gefälschten Papieren ausgestattet, tritt sie im Wintergarten-Varieté als Tänzerin auf. Berühmt und begehrt für ihre schönen Beine, verschafft sie sich Zugang zu den Kreisen der Logistiker des Holocaust, um im Zentrum der Macht erbarmungslose Rache an den Nazis zu üben. 

Autor und Regisseur Tucké Royale lässt in seinem Rachemusical die Biographien queerer, jüdischer Widerstandskämpfer*innen miteinander verschmelzen. MIT DOLORES HABT IHR NICHT GERECHNET erzählt von zwei bewaffneten Heldinnen und setzt dem Stereotyp jüdischer Ohnmacht und Wehrlosigkeit die ausnahmslose Vergeltung der deutschen Schuld entgegen. 

Die Produktion ist ein Projekt von Tucké Royale und dem Schwulen Museum* Berlin, gemeinsam produziert mit dem Studio Я des Maxim Gorki Theaters Berlin. In Koproduktion mit Kampnagel Hamburg und in Zusammenarbeit mit dem Puppentheater Halle. Im Rahmen des Projekts "Queering Holocaust History" gefördert durch die
Kulturstiftung des Bundes, sowie gefördert durch die Kulturbehörde Hamburg, Hamburgische Kulturstiftung, Rusch Stiftung und Rudolf Augstein Stiftung.
 
 
UA: 26.10.2017, Maxim Gorki Theater Berlin
 
Text & Regie: Tucké Royale
Ko-Autor: Johannes Maria Schmit
Bühne/Kostüme/Puppen: Josa Marx
Dramaturgie: Tobias Herzberg
Musik: Ted Gaier, Yuriy Gurzhy, Angy Lord, Paula Sell
Puppenspiel: Mathias Becker, Friedericke Miller, Oscar Olivo, Mehmet Yilmaz
Licht: Daniel Krawietz, Fritz Stötzner
Künstlerische Mitarbeit: Mateusz Szymanowka
Assistenz: Ariana Battaglia, Rafi Martin, Tinka Legvart
Produktionsleitung: ehrliche arbeit – freies kulturbüro
 
Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet ist ein Abend, der nicht nur die Mär vom Opfer-Juden dekonstruiert, sondern auch Gender-Aspekte erörtert, die bislang aus der Forschung ausgeschlossen waren. Tucké Royale hat jedoch kein buntes, vor Glitzer und Kitsch strotzendes Werk im Gorki-Studio geschaffen, sondern eines, das mit leisen Akzenten arbeitet.
 
(Max Müller, 01.11.2017 in der Berliner Morgenpost)
 
 
 

Extras


Neubau, Drama, 2021
von Johannes M. Schmit
Drehbuch & Spiel: Tucké Royale

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