rua. Kooperative für Text und Regie
Kooperative für Text und Regie

Chris Michalski

Chris Michalski
© Caro Haentjes

Vita

Chris Michalski ist Autor, Übersetzer, Theaterschaffender. In Zusammenarbeit mit dem Nachsteller Kollektiv ergeben sich seit 2011 Performances und Publikationen. Mit dem Carminski_Hauser_Kollektiv entstehen seit 2017 Theaterinszenierungen und Hörstücke. Texte von ihm wurden außerdem von Regisseur*innen wie Annja Krautgasser, Tom Kühnel und Nadja Grasselli vor allem im deutschsprachigen Raum inszeniert. Für seine Arbeit hat er verschiedene Auszeichnungen und Förderungen erhalten. Er wohnt vor allem in Leipzig.

Texte

Antígona González sucht die Leiche ihres Bruders Tadeo. Er ist eine von zahllosen ermordeten Personen, die in den letzten Jahrzehnten in Mexiko spurlos verschwunden sind. "In den Nachrichten wurde nicht darüber berichtet. Es hat die Öffentlichkeit nicht interessiert. Es geht bloß um einen Mann, der von Zuhause aus in Richtung der Grenze aufgebrochen ist und nie wieder gesehen wurde. Noch ein Mann, der eine Fahrkarte gekauft hat und in einen Bus gestiegen ist. Noch ein Mann, der sich durch das Fenster von seinen Kindern verabschiedet hat. Später wird das alles sein, woran sich die Kinder erinnern, wenn sie daran denken, wie sie ihren Vater das letzte Mal gesehen haben." Sara Uribe verflechtet vergangene und aktuelle Darstellungen und Deutungen der Figur Antigone und setzt sie in das gegenwärtige Mexiko. Dort spitzt sich der Kampf gegen Gewalt und die Kartelle immer weiter zu und wird zu einer Zerreisprobe für die dort Lebenden, in der Widerstand zwingend notwendig ist, aber die Unmöglichkeit des Handelns radikal und allgegenwärtig zu spüren ist.

Orusch und Amil treffen sich zufällig online, als die beiden zum ersten Mal ein neues Computerspiel mit dem Namen DIE UNVORSTELLBARE WELT ausprobieren wollen. Ohne zu erahnen, worauf sie sich einlassen, bewältigen die zwei die erste Herausforderung: sie gelangen in die Spielwelt, die unvorstellbar nah und unvorstellbar weit weg ist: „Immer tiefer hin-n-n-ein. Bis du so w-w-w-weit weg bist wie noch nie. Und es nur noch still ist.“

Doch was müssen sie jetzt tun? Das Spiel scheint keiner Logik zu folgen, ist unberechenbar wie das Leben selbst. Zumindest die Leben von Orusch und Amil. Beide sind wegen Krieg aus ihrem jeweiligen Geburtsland geflohen. Das Spiel fordert sie auf, von ihrer Flucht und anderen Kindheitserinnerungen zu erzählen, aber wofür man Punkte kriegt und wozu die Punkte überhaupt gut sind, ist unklar. Während sie immer tiefer in die grasbedeckte Welt hinein gelangen, lernen die zwei sich kennen, erzählen von sich, ihrem Alltag, ihren Traumata. Irgendwann treffen die beiden auf Scheuch: ein rätselhaftes Wesen mit aufgemalten Augen, das im Spiel zu Hause zu sein scheint und ihnen helfen möchte. Zu dritt begeben sie sich zu dritt auf eine Reise bis dahin, wo alles anfängt.

In DIE UNVORSTELLBARE WELT nähert sich Chris Michalski der Magie des Lebens an sich: Wo verläuft die Grenze zwischen Wirklichkeit und Vorstellung? Und ist nicht letzteres die Voraussetzung für ersteres? Und ist da, wo es Liebe gibt, eine andere Welt vorstellbar?

Petra verbringt ihre Zeit am liebsten im Paunsdorf Center. Da gibt es ein Cineplex, den Hot Dog King, Dunkin Donuts, Burger Love (da würde sie aber niemals essen) – und einen Springbrunnen. Doch der sieht irgendwie anders aus, seitdem Jan L. – Petras ehemaliger Schulfreund und Bundeswehrsoldat im Einsatz in Afghanistan – sich dort in Brand gesteckt hat. Petra versteht es nicht, checkt einfach nicht, warum er so sterben musste, warum er ein Zeichen sein wollte und warum überhaupt so oft Bäume zum Andenken gepflanzt werden. Mit der Videokamera ihres Handys ausgestattet besucht Petra Personen, die Jan L. gekannt haben und startet den Videoblog WHEN THERES NOTHING LEFT TO BURN YOU HAVE TO SET YOURSELF ON FIRE. Wie ist es möglich, Erfahrungen und Traumata – von Gewalt, Verlust und Begegnung – in einer immer schneller werdenden Welt zu kommunizieren und zu verarbeiten? Welche unsichtbaren Einflüsse hat Krieg in unserem Alltag, wie oft schauen wir weg? Petra will nach rechts und links schauen, will verstehen, recherchieren und Lösungen finden. Doch es bleibt die Frage, ob ihr forschender Blick ausreicht, um der (selbst)zerstörerischen Logik ihrer und Jan L.s Welt zu entkommen.